War­um Fahr­rä­der (manch­mal) die bes­se­ren Autos sind.

Mit dem Rad bleibt man in Bewegung.

Neu­lich bin ich mit hun­dert­zwan­zig
auf mei­nem Fahr­rad ‚rumgefahr’n
Und wie immer konnt‘ ich nur hof­fen
die Poli­zei hält mich nicht an
Denn dann müsst‘ ich Stra­fe zah­len
und man führt‘ mich zum Ver­hör
Und mein armes klei­nes Fahr­rad
stünd‘ allei­ne vor der Tür

(…)

Jeder Popel fährt ’nen Opel
Jeder Affe fährt ’nen Ford
Jeder Blöd­mann fährt ’nen Por­sche
jeder Arsch ’nen Audi Sport
Jeder Spin­ner fährt ’nen Man­ta
jeder Dödel Jagu­ar
Nur Genie­ßer fah­ren Fahr­rad
und sind immer schnel­ler da

Auch wenn ich im Erschei­nungs­jahr die­ses Lieds der Prin­zen noch lan­ge nicht auf der Welt war, so kann ich mich mit dem Text auch knapp drei­ßig (!) Jah­re spä­ter noch sehr gut iden­ti­fi­zie­ren. Das Fahr­rad ist schließ­lich einer der ers­ten fahr­ba­ren Unter­sät­ze, mit denen man aus eige­ner Kraft so rich­tig Stre­cke machen und Geschwin­dig­keit erle­ben kann. Unver­zicht­bar wird es, wenn die Eltern aus päd­ago­gi­schen, öko­lo­gi­schen und schwä­bi­schen Grün­den dar­auf ver­zich­ten, ein Auto anzu­schaf­fen und man bald die Wahl hat, frü­her auf­zu­ste­hen und sich in den über­füll­ten Bus zu quet­schen oder sich mini­mal aus­ge­schla­fe­ner auf den Sat­tel zu schwingen.

Und Sat­tel ist schon das Stich­wort: Für jedes Kind, das auf die Fra­ge „Mama, Papa, krie­ge ich ein Pony?“ das ver­nich­ten­de „Nein!“ kas­siert hat, wird das Rad zum Pfer­de­r­satz, mit dem man in den Son­nen­un­ter­gang rei… äh, stram­pelt. Für mich haben die­se Fak­to­ren dazu geführt, dass ich zu mei­nen Rädern sehr emo­tio­na­le Bezie­hun­gen auf­ge­baut habe. Und mitt­ler­wei­le, als „zua­zo­gne“ Münch­ne­rin wer­den mir umso mehr die ganz und gar ratio­na­len Vor­tei­le bewusst, die der Draht­esel so bie­tet. Man fühlt sich den gestress­ten Auto­fah­rern doch ein wenig über­le­gen, wenn man sie bequem auf der Fahr­rad­spur über­holt. Da bringt kein Assis­tenz­sys­tem und kei­ne noch so gute Beschleu­ni­gung etwas – wenn der Ver­kehr der Innen­stadt ver­stopft ist, fin­det eine fas­zi­nie­ren­de Gleich­stel­lung der ver­schie­de­nen Ver­kehrs­mit­tel statt. Wobei das Fahr­rad in punc­to Gesund­heits­för­de­rung und Kli­ma­neu­tra­li­tät zuge­ge­be­ner­ma­ßen über­le­gen ist.

Life­style auf zwei Rädern

Und das betrifft nicht nur den Trans­port der eige­nen Kör­per­mas­se, auch Kin­der oder ande­re sper­ri­ge Gegen­stän­de kön­nen mit ent­spre­chen­den Model­len oder Auf­bau­ten fach- und sach­ge­recht bewegt wer­den. Der Brief­trä­ger mit Fahr­rad­ta­schen und Elek­tro­an­trieb gehört längst ins Ver­kehrs­bild, in Groß­städ­ten bil­den Las­ten­rä­der in den unter­schied­lichs­ten Grö­ßen ver­mehrt eine sehr rea­lis­ti­sche Alter­na­ti­ve zum Auto. Man und frau fängt viel­leicht vor­sich­tig mit einem Auf­bau zum Trans­port des Augus­ti­ner-Kas­tens oder einem Plas­tik­blu­men-durch­floch­te­nen Fahr­rad­korb an. Nach der Hoch­zeits­fahrt auf dem Tan­dem stellt sich bald der Nach­wuchs ein, und man bemerkt: Für jede Lebens­la­ge gibt es das pas­sen­de Ein‑, Zwei- oder Dreirad.

Nicht nur für den Ver­kauf von Las­ten­rä­dern unter­schied­li­cher Aus­stat­tung gibt es eine sta­bi­le Nach­fra­ge, längst schon haben unter­schied­li­che Akteu­re Geschäfts­mo­del­le für die Aus­lie­fe­rung von Essen oder Pake­ten ent­deckt.  Die Pro­ble­ma­tik liegt auf der Hand: Durch die zuneh­men­de Urba­ni­sie­rung, hohes Pend­ler­auf­kom­men und das explo­dier­te Wachs­tum im Online-Han­del gerät gera­de die Zustel­lung auf der letz­ten Mei­le an den End­kun­den oder an den Ein­zel­han­del in den Fokus. Das logis­ti­sche Auf­kom­men und der Ver­kehr in den Städ­ten sind enorm, gleich­zei­tig sind weni­ger Flä­chen für Logis­tik­im­mo­bi­li­en vorhanden.

(Gepäck-) Trä­ger inno­va­ti­ver Last-Mile-Konzepte

Da hilft nur: Think out­side the Kas­ten­wa­gen. In Nürn­berg bei­spiels­wei­se wur­de 2016 ein Pilot­pro­jekt zwi­schen dpd, dem Frei­staat Bay­ern, der Tech­ni­schen Hoch­schu­le Nürn­berg sowie der Stadt gestar­tet, das elek­trisch betrie­be­ne Las­ten­rä­der für die Innen­stadt­be­lie­fe­rung ein­setzt. In Kom­bi­na­ti­on mit einem soge­nann­ten Mikro-Depot – das kann ein abge­stell­ter Trans­por­ter oder ein Con­tai­ner sein – kann ein Las­ten­rad bei­na­he die Kapa­zi­tät eines Trans­por­ters erset­zen. Ins­ge­samt kann fast ein Drit­tel der städ­ti­schen Paket­fahr­ten mit die­sen Kon­zep­ten abge­wi­ckelt wer­den. Der gran­dio­se Erfolg führ­te dazu, dass das Pro­jekt in den Real­be­trieb über­führt wer­den konn­te. Ähn­li­che Pro­jek­te gab es in Ham­burg, Stutt­gart und Tübin­gen – mit eben­falls sehr guter Resonanz.

Der Mehr­wert sol­cher Kon­zep­te für die Kom­mu­nen liegt auf der Hand: Ent­las­tung des Ver­kehrs­auf­kom­mens, Redu­zie­rung von Emis­sio­nen und eine ins­ge­samt höhe­re Lebens­qua­li­tät für die Menschen.

Mehr davon, bitte!

War­um sind sol­che Kon­zep­te und Dienst­leis­tun­gen nicht längst viel eta­blier­ter? Mei­ne Mei­nung: Weil das Auto und moto­ri­sier­te Unter­sät­ze in Deutsch­land selbst­ver­ständ­lich sind, zum Teil sicher­lich zu Recht. Dazu kommt das mir unver­ständ­li­che Sta­tus­geh­abe mit beson­ders teu­ren, gro­ßen, alten und meis­tens unprak­ti­schen Autos. Obwohl die ratio­na­len Vor­tei­le von einem Aus­bau der Fahr­rad­lo­gis­tik ein­leuch­ten, muss noch viel gesche­hen. Denn die Infra­struk­tur ist seit Jahr­zehn­ten auf das Auto­mo­bil fokus­siert gewe­sen, und da stößt es natür­lich Autofahrer:innen, Ver­bän­den und pro­du­zie­ren­den Unter­neh­men erst ein­mal übel auf, wenn dem Rad im öffent­li­chen Raum mehr Platz ein­ge­räumt wer­den soll. Womög­lich noch auf Kos­ten der Park­plät­ze, oh Schreck!

Ich wün­sche mir, dass die­ser Pro­zess wei­ter ange­scho­ben wird. Denn am Ende kön­nen wirk­lich alle von einer Ent­las­tung des urba­nen Ver­kehrs und einer Reduk­ti­on der Emis­sio­nen pro­fi­tie­ren. Eigent­lich ein No-Brai­ner, aber für man­che nicht auf den ers­ten Blick. Das braucht Zeit, kon­ti­nu­ier­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on und ja, auch an der ein oder ande­ren Stel­le Ein­ge­ständ­nis­se zuguns­ten des Fahr­rads statt des Autos.

 

Autorin: Lin­nea Bron­ner, Juni­or­be­ra­te­rin PR und Social Media