Pres­se­kon­fe­renz: Tag der Logis­tik 2023

Fach­kräf­te­man­gel ist und bleibt Herausforderung

Pressekonferenz am Tag der Logistik 2023-Stefan Rummel, CEO Messe München-Volker Klassen, Geschäftsführer Hafen Trier-Christina Thurner, Gesellschafterin Loxxess AG-Dr. Klaus Wohlrabe, ifo Institut München, und Moderator Jens Tosse, teamtosse.

Der Wirt­schafts­be­reich Logis­tik ist mit 319 Mrd. Umsatz (Pro­gno­se 2022) nach Auto­mo­bil und Han­del der dritt­größ­te Wirt­schafts­be­reich in Deutsch­land. Nicht nur als Garant für Ver­sor­gungs­si­cher­heit, son­dern auch als Arbeit­ge­ber spielt die Logis­tik in Deutsch­land eine bedeu­ten­de Rol­le. Denn die Zahl an Akteu­ren, Unter­neh­men und Beschäf­tig­ten im Wirt­schafts­be­reich Logis­tik ist rekord­ver­däch­tig. Nur knapp die Hälf­te der logis­ti­schen Leis­tun­gen, die in Deutsch­land erbracht wer­den, besteht in der gemein­hin sicht­ba­ren Bewe­gung von Gütern durch Dienst­leis­ter zu Lan­de, zu Was­ser und in der Luft. Die ande­re Hälf­te fin­det in der Pla­nung, Steue­rung und Umset­zung inner­halb von Unter­neh­men statt. Allein 80.000 über­wie­gend mit­tel­stän­disch gepräg­te Unter­neh­men sind Teil des Logis­tik­dienst­leis­tungs­sek­tors, mit über drei Mil­lio­nen Erwerbs­tä­ti­gen arbei­ten rund drei­mal so vie­le Men­schen in der Logis­tik wie bei­spiels­wei­se im Maschinenbau.

 

Doch wie ande­re Bran­chen lei­det auch die Logis­tik unter dem Fach­kräf­te­man­gel, der durch die demo­gra­phi­sche Ent­wick­lung noch ver­stärkt wird. Gleich­zei­tig bie­ten Digi­ta­li­sie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung, geän­der­te poli­ti­sche Rah­men­be­din­gun­gen, erleich­ter­te Zuwan­de­rung und wei­te­re Maß­nah­men Chan­cen, dem Man­gel an Arbeits­kräf­ten zu begegnen.

 

Der euro­pa­weit statt­fin­den­de Tag der Logis­tik wur­de 2008 von der BVL (Bun­des­ver­ei­ni­gung Logis­tik e.V.) initi­iert und bot der brei­ten Öffent­lich­keit auch in die­sem Jahr wie­der vie­le Mög­lich­kei­ten, Logis­tik-Unter­neh­men vor Ort ken­nen­zu­ler­nen. Ins­ge­samt fan­den am Tag der Logis­tik mehr als 165 Ver­an­stal­tun­gen statt. Dies nicht nur in Deutsch­land, son­dern auch in Polen, Luxem­burg, Litau­en, der Nie­der­lan­de, der Schweiz, der Tür­kei und sogar der Ukrai­ne, von denen vie­le online ver­folgt wer­den konnten.

 

Stim­men zur Lage: Fach­kräf­te­man­gel – Per­spek­ti­ven und Lösungsansätze

 

Auf der offi­zi­el­len Pres­se­kon­fe­renz, die am 20.04. im House of Logi­stics and Mobi­li­ty in Frank­furt am Main statt­fand, wur­den Chan­cen und Risi­ken für den Wirt­schafts­be­reich Logis­tik von ver­schie­de­nen Blick­win­keln aus betrachtet.

 

Ein­ge­lei­tet wur­de die Pres­se­kon­fe­renz zum Tag der Logis­tik durch Oli­ver Luk­sic. Es spra­chen außer­dem Dr. Klaus Wohl­ra­be vom ifo Insti­tut in Mün­chen, Chris­ti­na Thur­ner, Gesell­schaf­te­rin und Vor­stands­mit­glied der Lox­xess AG sowie Vor­stands­mit­glied der BVL, Vol­ker Klas­sen, Geschäfts­füh­rer des Hafen Trier, sowie Ste­fan Rum­mel, CEO der Mes­se München.

 

„Ant­wor­ten auf den chro­ni­schen Fah­rer­man­gel lie­gen bei­spiels­wei­se in attrak­ti­ven Arbeits­zeit­mo­del­len und der sys­te­ma­ti­schen Ver­bes­se­rung und Erwei­te­rung des Rast­stät­ten-Net­zes“, betont Oli­ver Luk­sic bei der Pres­se­kon­fe­renz. „Die Poli­tik steht zudem in der Ver­ant­wor­tung, gute Rah­men­be­din­gun­gen zu schaf­fen, etwa hin­sicht­lich der Berufs­kraft­fah­rer­qua­li­fi­ka­ti­on. Wir wol­len qua­li­fi­zier­te Fach­kräf­te­ein­wan­de­rung und den Zugang zu Fahr­be­ru­fen erleich­tern. So wird das Visum­ver­fah­ren für Berufs­kraft­fah­rer deut­lich ver­ein­facht; die bis­he­ri­ge Vor­rang­prü­fung ent­fällt; eine Erklä­rung des Arbeit­ge­bers reicht aus. Auch wird die Grund­qua­li­fi­ka­ti­on zum Berufs­kraft­fah­rer künf­tig in meh­re­ren Fremd­spra­chen mög­lich sein. Dane­ben ist es von größ­ter Bedeu­tung, das ein­hei­mi­sche Poten­ti­al an Arbeits­kräf­ten zu heben. Gute Arbeits­be­din­gun­gen, attrak­ti­ve Arbeits­zeit­mo­del­le und Löh­ne spie­len hier eine wich­ti­ge Rol­le. Hier sind auch die Unter­neh­men selbst in der Pflicht.“

 

Der Par­la­men­ta­ri­sche Staats­se­kre­tär kün­dig­te über­dies eine Ver­ein­fa­chung der Aner­ken­nung von Doku­men­ten in der euro­päi­schen Bin­nen­schiff­fahrt an. In sei­nem Fazit beton­te er die hohe Attrak­ti­vi­tät der durch die Digi­ta­li­sie­rung sich stark ver­än­dern­den Berufs­bil­der in der Logis­tik. Wich­tig sei aber eine ver­stärk­te, posi­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­on durch die Wirt­schaft. Der Tag der Logis­tik leis­te hier­zu einen wich­ti­gen Beitrag.

 

Aus wis­sen­schaft­li­cher Sei­te beleuch­te­te Dr. Klaus Wohl­ra­be die Dis­kus­si­on mit einer all­ge­mei­nen Ein­schät­zung zum Arbeits­markt. Dabei unter­leg­te er die Dis­kus­si­on mit neu­en Erkennt­nis­sen vom Arbeitsmarkt:

  • Die Anzahl der Arbeits­plät­ze in der Logis­tik ist in den letz­ten 8 Jah­ren um rund 40 Pro­zent gestie­gen (von 2014 bis 2022).
  • Der Anteil an aus­län­di­schen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern hat sich von 13 auf 31 Pro­zent mehr als verdoppelt.
  • Der Frau­en­an­teil ist wei­ter­hin eher nied­rig, zuletzt lag er bei rund 19 Pro­zent, hier ist seit Jah­ren kaum Bewe­gung drin.
  • Die Anzahl der Aus­zu­bil­den­den ist über die Jah­re nur leicht gestie­gen (um ca. 3 %). Offe­ne Stel­len haben sich in den letz­ten 15 Jah­ren fast vervierfacht.

 

„Der Fach­kräf­te­man­gel ist gekom­men, um zu blei­ben,“ erklär­te Dr. Wohl­ra­be. „Dies gilt für die Gesamt­wirt­schaft und ins­be­son­de­re auch für den Bereich Logis­tik. Die Logis­tik ist daher gut bera­ten, ihre fak­ti­schen Vor­zü­ge als Arbeit­ge­be­rin noch stär­ker her­aus­zu­stel­len. Die Poli­tik muss vor allem zuver­läs­si­ge Rah­men­be­din­gun­gen für die Zuwan­de­rung von Fach­kräf­ten set­zen. Aber auch die Logis­tik kann die Poten­zia­le der Digi­ta­li­sie­rung und der Künst­li­chen Intel­li­genz heben, zum Bei­spiel beim auto­no­men Fah­ren, um so dem Fach­kräf­te­man­gel Herr zu werden.“

 

Chris­ti­na Thur­ner ergänz­te die Run­de mit der Sicht des Logis­tik­dienst­leis­ters, berich­te­te über Neu­hei­ten bei tech­ni­schen Hilfs­mit­teln wie Auto­ma­ti­sie­rung und Künst­li­cher Intel­li­genz und hob das Poten­zi­al von Frau­en in der Logis­tik her­vor sowie die Bedeu­tung der Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf.

 

„Stei­gen­de Ener­gie- und Per­so­nal­kos­ten in der Logis­tik sind ein Pro­blem mit rea­len Impli­ka­tio­nen für den Wirt­schafts­stand­ort“, erklär­te Chris­ti­na Thur­ner. „Heu­te ist es daher beson­ders wich­tig, dass BMDV und Initia­ti­ven des Wirt­schafts­be­reichs wie der Tag der Logis­tik zusammenarbeiten.“

 

Thur­ner wies zudem auf Lösun­gen zum The­ma Fach­kräf­te­man­gel hin: „Laut Berufs­bil­dungs­be­richt des Bun­des­in­sti­tuts für Berufs­bil­dung hat­ten bereits 2021 2,5 Mio. Men­schen zwi­schen 20 und 34 kei­nen Berufs­ab­schluss. Die­se Zah­len stei­gen seit Jah­ren. Die For­de­rung an die Poli­tik müss­te daher lau­ten, die­se Men­schen einer Aus­bil­dung zufüh­ren.“ Die Mana­ge­rin zitier­te wei­ter Adri­an Peter, Prä­si­dent von der Deut­schen Indus­trie- und Han­dels­kam­mer zum The­ma Teil­zeit bei Müt­tern: „Wenn alle Frau­en, die in Teil­zeit arbei­ten, zwei Stun­den mehr arbei­ten wür­den, hät­ten wir dem­nach 500.000 zusätz­li­che Arbeits­kräf­te. Ein wich­ti­ger Teil der Lösung ist eine funk­tio­nie­ren­de Kinderbetreuung.“

 

Vol­ker Klas­sen erläu­ter­te in der Pres­se­kon­fe­renz die Funk­tio­nen, Job-Per­spek­ti­ven und Bedeu­tung der Bin­nen­hä­fen am Bei­spiel des Hafens Trier. Zum Tag der Logis­tik betont Klas­sen: „Mit dem Tag der Logis­tik gene­rie­ren wir mehr Auf­merk­sam­keit für die Logis­tik in der brei­ten Öffent­lich­keit. Die­se Auf­merk­sam­keit ist gerecht­fer­tigt: Denn gera­de in der Coro­na-Zeit haben wir die Pro­ble­me mit einer gestör­ten Logis­tik ken­nen­ge­lernt und wis­sen nun bes­ser zu schät­zen, dass sie übli­cher­wei­se im Stil­len funk­tio­niert. Der Tag der Logis­tik hilift uns, für die Bedeu­tung des Bin­nen­ha­fens zu sen­si­bi­li­sie­ren, zu zei­gen, vor wel­chen Her­aus­for­de­run­gen er dabei tag­täg­lich steht und wel­che Ver­bes­se­run­gen der Rah­men­be­din­gun­gen dafür von Sei­ten der Poli­tik drin­gend nötig sind.“

 

Ste­fan Rum­mel gab einen Über­blick der Viel­falt der Logis­tik bei der größ­ten euro­päi­schen Fach­mes­se „trans­port logi­stic“ (9.–12. Mai, Mün­chen): „Die Stim­mung in der Logis­tik spie­gelt sich deut­lich auf einer welt­wei­ten Leit­mes­se wie der trans­port logi­stic wie­der. Der Wirt­schafts­be­reich nimmt Her­aus­for­de­run­gen wie Lie­fer­ket­ten-Pro­ble­ma­ti­ken, Infla­ti­on und Fach­kräf­te­man­gel sehr ernst. Dank der für den Bereich typi­schen Resi­li­enz und hohen Lösungs­ori­en­tie­rung gelingt es der Logis­tik zuneh­mend, die ver­blei­ben­den Spiel­räu­me best­mög­lich zu nut­zen. Die Zuver­sicht kehrt damit all­mäh­lich zurück.“

 

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen fin­den Sie auf der Web­sei­te des Akti­ons­tags Tag der Logistik.

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